Berggorillas in Ruanda Junges

Gorillas – die besseren „Menschen“

Laut schnarchend liegt der Vater auf dem Rücken und hält einen Verdauungsschlaf, doch immer wieder boxt der Nachwuchs ihm in die Seite. Als er aufwacht, will er den Kleinen zurecht weisen, doch dieser weicht ihm aus und schlägt Purzelbäume. Eine Szene, die sich in jedem Wohnzimmer zugetragen haben könnte. Dabei sind wir mitten im Vulkan-Nationalpark im Norden Ruandas – zwischen einer Berggorilla-Familie.

Beobachtet wird sie von unserer kleinen Reisegruppe, bestehend aus zwei Deutschen, sechs Amerikanern und zwei Touristenführern. Stundenlang sind wir durch strömenden Regen auf einen der erloschenen Virunga-Vulkane geklettert und haben uns durch den dicht bewachsenen Tropenwald gekämpft. Nun stehen wir hier nur wenige Meter entfernt von den Menschenaffen im grauen Dunst, genauso wie die Zoologin Dian Fossey, deren Leben in dem Drama „Gorillas im Nebel“ 1988 verfilmt wurde. Fossey haben wir die Erhaltung dieser stark bedrohten Gattung zu verdanken: Sie setzte sich bis zu ihrem Tod 1985 intensiv gegen Wilderer ein und gründete ein Zentrum, um das Verhalten der Primaten zu erforschen.

Naturschutzorganisationen wie der „Dian Fossey Gorilla Fund“ bewachen einige Affenfamilien deshalb rund um die Uhr und melden der Regierung illegale Aktivitäten. Weltweit leben nur noch 880 Berggorillas, über die Hälfte davon in dem ruandischen Nationalpark. Doch auch der Tourismus stellt eine große Bedrohung dar. Die Primaten sind sehr anfällig für Grippe- und Ebola-Viren, die von Menschen übertragen werden.

Menschliche Armut bedroht die Gorillas. Und die Natur.

Die größte Gefahr für die Gorillas ist die Armut der einheimischen Bevölkerung, die in ihrem Territorium Wohnraum erschließt, Gazellen jagt und Wasser schöpft.

Daher wurden strenge Regeln für Reisegruppen festgelegt: Jede der Gorillafamilie darf von maximal acht Touristen eine Stunde am Tag besucht werden, ein Teil der Erlöse aus den Eintrittsgeldern wird dem Nationalpark gespendet. Unser Reiseleiter erklärt uns, dass wir uns ruhig verhalten sollen, um den Silberrücken, das dominante Männchen der Gruppe, nicht zu provozieren.

Besucher werden nur selten attackiert. Aufgrund der täglichen Visite sind die Tiere an die Präsenz von Menschen gewöhnt. Als wir schließlich alle vor dem 200 Kilo schweren Silberrücken stehen, der sich dort im Gras wälzt und schnarcht, sind wir erstaunt, wie friedlich er sich verhält. Die Parkwächter nennen ihn „den Glücklichen“, da er jahrelang einsam durch die Vulkanlandschaft streifte, und nun gleich drei Weibchen aus anderen Gruppen für sich gewinnen konnte. Mit ihnen zeugte er bisher drei Junge. Einige Meter entfernt von ihm sitzt ein Weibchen und hält ihr Baby fest umschlungen im Arm, um es zu wärmen.

Berggorillas in Ruanda Touristen
Ich (li.) auf Wanderung zu den Gorillas – leider stören Touristen wie ich die Primaten

„Viele Gorillababys sterben während der kalten Regenzeit. Dieses Junge dort im Arm seiner Mutter hat nur eine 40-prozentige Überlebenschance“, erzählt der Reiseleiter.

Ein Hinweis darauf, wie empfindlich diese Tiere auf ihre Umwelt reagieren. Sie verbringen die meiste Zeit auf der Suche nach Futter, am liebsten fressen sie Bambus und Beeren. Wenn jemand ihnen während unseres Besuchs bei ihrer Nahrungssuche im Weg steht, schieben sie ihn einfach mit der Hand beiseite. Im Allgemeinen ähnelt ihre Gestik und Mimik oft der der Menschen. Sie besitzen ein komplexes und differenziertes Kommunikationssystem. Als alle Familienmitglieder sich satt gefressen haben, stoßen sie Laute aus, die an ein lautes Schnurren erinnern. Ihre Gesichtszüge sind entspannt, die Mundwinkel leicht nach oben gezogen.

Doch plötzlich kommt ein Junges mit einem Grashalm im Maul auf mich zu. Der Reisebegleiter mahnt mich zur Vorsicht: „Wenn das Kleine eine Pflanze im Mund hat, dann will es dich warnen.“ Ich weiche zurück. „Obwohl Gorillas friedliche Tiere sind, sollten wir großen Respekt vor ihnen haben,“ ergänzt er und erzählt, wie der Silberrücken sich einst auf ihn warf und ihn eine halbe Stunde lang anbrüllte. Verletzt wurde er nicht.

Berggorillas in Ruanda Junges
Die Mutter hält ihr Kleines fest an den Körper gedrückt, damit es nicht erfriert

Doch sein Kollege wurde schon einmal von „dem Glücklichen“ gebissen. Als der Silberrücken jedoch das Blut auf dem Arm des Parkwächters erblickte, setzte er sich vor ihn und verteidigte ihn gegen die anderen Menschenaffen, die von dem Geruch des Blutes angelockt wurden. Lächelnd sagt unser Leiter: „Er wusste, dass er ihm weh getan hat und es tat ihm leid. Um es wieder gut zu machen, hat er meinen Kollegen gegen seine eigene Familie verteidigt.“ Während des Abstiegs überlege ich, ob diese Attacken nicht doch verständlich sind, wenn die Gorillas täglich von einer Reisegruppe wie der unsrigen belästigt werden, wenn auch nur für eine Stunde.

Ich muss erneut an Dian Fossy denken, die stets betonte, dass die ständige Präsenz von Menschen das natürliche Verhalten der Tiere störe. Fossy wurde 1985 erschlagen in ihrem Forschungszentrum in der Nähe der Virunga-Vulkane aufgefunden. Ihr Biograf Farley Mowat vermutet, dass ruandische Tourismuslobbyisten den Auftrag zu dem Mord gaben, da Fossy ihre Unternehmen behinderte.